Während der östliche Küstenabschnitt der Northwest Highlands an der Nordsee als eher gemäßigt gilt, erwartet uns mit der Atlantikküste an der Westseite raues Klima und wilde Natur. Die Nordküste bildet einen sanften Übergang dazwischen. Die davor weiten Täler verwandeln sich langsam in schroffe Hügelketten. Typisch sind die felsigen und steilen Küsten, die durch malerische Sandstrände unterbrochen werden. Diese Buchten laden regelrecht zum Baden ein, nur sind die Temperaturen vermutlich normalerweise zu kalt dafür. Heute jedoch klettert das Thermometer auf unerwartete 27°C und viele Urlauber sitzen am Strand, wie sonst in Spanien oder Italien. Immer wieder wurde uns bereits erzählt, dass die hohen Temperaturen die Briten dazu verleiten, im eigenen Land Urlaub zu machen, anstatt in den Süden zu fliegen. Besonders im eher dünn besiedelten Norden scheint wirklich jede vorhandene Unterkunft ausgebucht zu sein.
[1331] [1332] [1343]Der kleine Küstenort Durness ist nicht nur beliebt für die Sandstrände sondern auch für die Smoo Cave. Ein enges Flüsschen verschwindet dort im Erdboden, um in Form eines Wasserfalls in der Smoo Cave wieder zu erscheinen. Der Fluss fließt daraufhin direkt aus dem riesigen Höhleneingang hinaus ins Meer. Wir können allerdings nur einen kleinen See in der Höhle mit einem Rinnsal ins Meer beobachten. Wegen der untypisch hohen Temperaturen und der Trockenheit ist der Wasserfall leider temporär versiegt.
[1333]Auch die sonst angebotenen Höhlentouren fallen heute aus. Das liegt allerdings an den im Ort stattfindenden Highland Games. Ähnlich wie bei einer Kirchweih gibt es dieses Fest in vielen Orten der Highlands im Sommer. Neben sportlichen Wettkämpfen mit für uns merkwürdigen Disziplinen ist die Stimmung einer Kirchweih sehr ähnlich. Es gibt Süßigkeiten, ein Fahrgeschäft und einen Stand mit angeblich deutschen Würsten. Wir bezweifeln das noch. Anstatt des Höchstädter Spielmannszugs in Landesknechttracht spielt ein schottisches Orchester. Die Dudelsäcke werden dabei von Trommeln begleitet. Natürlich tragen alle Spieler schottische Tracht mit Kilt.
[1334] [1335]Auch wenn die Landschaft durch die sich immer stärker abzeichnenden Bergketten bereits einen raueren Eindruck erhalten hat, könnte der Übergang zur Westküste kaum deutlicher sein, als wir Durness in Richtung Süden verlassen und damit die Westküste hinunterfahren. Tiefe Wolken hängen in den Hügeln und die Temperatur ist deutlich gesunken. Dafür wird allerdings auch die Landschaft immer spannender. Ein letztes Ziel für den heutigen Tag sind die Wailing Widow Falls. Ein aus dem Loch Gainmhich entspringender Flussarm stürzt dort als Wasserfall die Klippe hinunter. Wenn die rauen Temperaturen nicht gewesen wären, hätten uns spätestens die allgegenwärtigen Midges daran erinnert, dass wir jetzt in die Tiefen der Highlands sind. Diese winzigen Stechmücken tauchen in bis zu nebelhaften Schwärmen auf und können durch ihre geringe Größe fast überall vordringen. Bei Wind oder Regen fliegen sie allerdings nicht. Somit hat auch schlechtes Wetter unerwartete Vorteile.
[1336]Idyllisch am Loch Assynt liegt das Ardvreck Castle auf einer in den See hineinragenden Halbinsel. Laut des Reiseführers behauptet nur der, der Loch Assynt noch nie gesehen hat, dass Loch Lomond wirklich der schönste See in Schottland sei. Vermutlich ist es gerade die Ruine aus dem 15. Jahrhundert und die majestätischen Berge im Hintergrund, die das Bild so eindrucksvoll machen.
[1337]Nicht weit vom Loch Assynt entfernt befindet sich an der Küste der Stoer Halbinsel der sogenannte Old Man of Stoer (nicht zu verwechseln mit dem berühmteren Old Man of Storr auf der Isle of Skye). Von einem Leuchtturm aus führt ein Wanderweg entlang der Küste zu diesem bizarr hervorstehenden Brandungspfeiler. Bereits die Buchten auf den Weg dorthin überzeugen durch ihre Schönheit. Obwohl der Pfeiler separiert im Meer steht, ist es möglich ihn hinaufzuklettern. An diesen Tag sind zwar keine Kletterer in Sicht, jedoch hängen ein paar Seile von der Spitze hinunter. Der Rückweg führt über den Gipfel des Sithean Mor. Obwohl dieser nicht sehr hoch ist, kann man von dort weit in die Ferne blicken. Auch unser nächstes Ziel, Inverpolly, ist von hier ersichtlich.
Tausende Seen, weites Moor und zerklüftete Gipfel. Diese drei Attribute sind beschreibend für das Naturreservat Inverpolly. Nur die geteerte Autostraße erinnert daran, dass die Zivilisation nicht allzu fern sein kann. Es lohnt sich an den vorhandenen Parkbuchten zu stoppen, um den Ausblick zu genießen und fotografisch festzuhalten.
Mit ca. 1500 Einwohnern bildet Ullapool die nächstgrößere Metropole in dieser Region. Nachdem wir bereits verschiedene Übernachtungen in Hotels, Hostels, Bed & Breakfasts und sogar einen putzigen Camping Pod probiert haben, folgt für diesen Abend eine AirBnB Unterkunft. Das ursprüngliche Bauernhaus liegt nur wenige Meter vom Loch Broom entfernet. Neben uns beherbergt unsere Gastgeberin Angelica noch ihren vierzehnjährigen Neffen aus Berlin und ein befreundetes männliches Ehepaar aus Irland. Während dem Abendessen ergibt sich ein angenehmes Gespräch. Bei einen gemeinsamen Spaziergang zum Wasser zeigt sich noch ein eigenartiges Naturphänomen. Während der Himmel über uns sternklar ist, scheint nicht weit entfernt auf einer dünn besiedelten Landzunge ein lokales Gewitter zu toben. Immer wieder leuchten die dort tief liegenden Wolken hell und farbenreich auf.
[1338] [1339]Der nächste Morgen führt noch einmal zurück in das Naturreservat Inverpolly. Die Tour auf den Stac Pollaidh verspricht einen grandiosen Ausblick. Laut Wanderführer ist es der einzige Gipfel, den man in dieser moorigen Landschaft trockenen Fußes besteigen kann. Das scheint nicht unwahrscheinlich, denn oben angekommen ragen die umliegenden Berge wie kleine Inseln aus einem Meer aus Seen und Mooren heraus. Nicht weit im Westen beginnen bereits die Weiten des Atlantiks. Der Ausblick ist grandios. Wunderschön sind auch die vielen Steinzinnen, die den Gipfel des Stac Pollaidh auszeichnen.
[1340]Dass unser mittlerweile feierlich auf den Namen Earl of Vauxhall getaufter Mietwagen auch Berge beklimmen kann, stellt der graue Earl wenig später auf der gewundenen Passstraße Bealach na Bà unter Beweis. Der einspurige Pass überquert die Berge der Halbinsel Applecross auf einer Höhe von 626 Meter über dem Meeresspiegel. Bei den engen Haarnadelkurven mit bis zu 20% Steigung fühlt man sich beinahe wie in den Alpen. Vom Aussichtspunkt soll man an schönen Tagen die Isle of Skye sehen. Heute haben wir leider kein Glück, denn der Aussichtspunkt ist von Wolken verhüllt, während ein orkanartiger Wind jeden Besucher nach wenigen Minuten zurück ins geschützte Auto treibt. Wenn wir die Isle of Skye nicht von oben sehen können, werden wir sie uns als nächstes aus der Nähe anschauen.
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