Northern Blizzard

11.03.2020

Die nächsten zwei Tage verbringen wir im Nordwesten der Insel. Noch ahnen wir nicht, dass sich ein Blizzard über dem Nordland zusammenbraut.

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Nach langer Fahrt mit kurzem Stopp in Akureyri, wo wir die gesparten Kosten für den mautpflichtigen Tunnel in Süßgebäck investieren, verbringen wir die Nacht auf einem Reiterhof an der Bucht Skagafjörður. Am Morgen nehmen uns die deutschsprachigen Bewohner des Hofes mit zur Tierfütterung. Wegen des schlechten Wetters sind einige der Pferde sowie die Schafe und Ziegen im Stall untergebracht. Zusätzlich bekommen wir von der lebhaften Bremer Auszubildenden einen Einblick in die Aufzucht und Pflege der Pferde und Schafe auf Island.

Zur Überbrückung des stürmischen Tages wollen wir uns heute ein heißes Bad gönnen. Der erste Ausflug des Tages führt zum Reykjafoss, einem mehrstufigen Wasserfall, neben dem eine heiße Quelle liegt. An den Schneeverwehungen auf der Straße ist leicht zu erkennen, dass der Fosslaug heute noch keine Besucher hatte. Die lauwarme Wassertemperatur lädt allerdings nicht zum Verweilen ein. Aus einem kleinen Loch fließt ein heißes Rinnsal in den Pool. Trotz der idyllischen Lage des Fosslaug ziehen wir heute ein Schwimmbad mit beheizten Umkleiden vor.

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Das Schwimmbad in Hofsós lockt mit einem Becken mit weitem Panoramablick über die ganze Bucht. Leider kommen wir zur falschen Zeit, denn das Schwimmbad schließt über den Nachmittag. Neben dem Schwimmbad führen hölzerne Stufen den steilen Hügel hinab an zu den Basaltsäulen an der Küste. Vor einigen Jahren waren wir zufällig auf diesen Ort gestoßen und durften die Polarlichter über der Küste tanzen sehen. Seitdem erinnert Lisas Desktop-Hintergrund an dieses besondere Erlebnis. Tatsächlich erkennen wir die fein geschliffenen Basaltsäulen mit den Namen Staðarbjörg sofort wieder. Der vereiste Hang lässt es leider nicht zu, zwischen den Basaltsäulen herumzuklettern. Wegen des starken Windes klettern wir eilig wieder den Hang hinauf. Auch wenn das Wetter heute kein Neuauflage von Lisas Desktop-Hintergrundbild zulässt, geben die Basaltsäulen einen faszinierenden Anblick ab.

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Südlich von Hofsós statten wir der Grafarkirkja einen kurzen Besuch ab. Das Gebäude und der Steinwall außenherum sind zur Hälfte im Schnee vergraben. Über dem Spitzdach trotzt eine blecherne Fahne eisern dem stürmischen Wind. Beim Näherkommen bläst uns der Wind feuchten Schnee ins Gesicht, sodass man kaum in Richtung der Kirche blicken kann. Nach einer kurzen Umrundung fliehen wir schnell wieder ins Auto.

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Aufgrund von Schneeverwehungen geht es auf der Straße nur langsam voran. Wie loderndes Feuer züngeln weiße Schneespuren über die Straße. Einige Einheimische zeigen sich von den extremen Verhältnissen wenig beeindruckt und überholen die vorsichtigen Touristen im Eiltempo. In Blönduós beträgt die Windgeschwindigkeit 22 m/s.

Den Nachmittag verbringen wir geschützt vom Wind im heißen Außenbecken des Schwimmbads in Blönduós. Neben dem Schwimmerbecken bietet das Freibad zwei heiße Becken mit 35 sowie 38-40 Grad. In Isländischen Schwimmbads wird Sauberkeit vorausgesetzt. Die Hinweisschilder in der Umkleide erinnern daran, sich vor dem Betreten des Schwimmbereichs gründlich zu reinigen. Dafür sind die Umkleiden auch sehr sauber. Nützlich ist auch der Trockner, welcher die Badeklamotten in acht Sekunden beinahe trocken schleudert.

Über Nacht hat sich der kräftige Wind nicht gelegt. In der Hoffnung auf besseres Wetter ziehen wir spät am Vormittag los in Richtung Borgarnes. Doch weit werden wir nicht kommen. Abgesehen von einigen harmlosen Schneeverwehungen lassen sich die ersten Kilometer problemlos fahren. Kurz vor Hvammstangi verdichten sich die Schneeverwehungen. Bei eingeschränkter Sicht und einer Geschwindigkeit von 30 km/h können wir gerade den nächsten Leitpfosten ausmachen. Mit jedem Meter verschlechtert sich die Sicht und wir tasten uns mit Schrittgeschwindigkeit vorsichtig voran. Glücklicherweise taucht am Straßenrand ein Parkplatzzeichen auf und wir sind heilfroh, einen Rastplatz unterhalb der Straße zu erblicken. Ein paar weitere Autos harren dort bereits aus. Mit der Seite zum Wind reihen wir uns neben den anderen Autos ein. Im Wind schwankt das Auto hin und her, Schnee prasselt auf die Autoscheiben, aber wir sind geschützt.

So warten wir Stunde um Stunde und hoffen auf Besserung, die allerdings nicht vor dem späten Abend zu erwarten ist. Laut Straßenkarte beträgt die Windgeschwindigkeit an der nahe gelegenen Messstation 30 m/s. Ein kurzer Gang an die frische Luft wird mit eiskalten Händen und einer Ladung Eis im Auto bestraft. Als es schon zu dämmern beginnt, wagt sich der blaue Mazda neben uns zurück auf Straße, kehrt aber wenige Minuten später auf den angestammten Platz zurück. Als sich unsere Blicke mit dem des Fahrers treffen, schüttelt er geschlagen den Kopf. An eine Weiterfahrt ist noch nicht zu denken.

Als wir unseren SUV umparken wollen, regt sich dieser nicht. Wie bei unserem blauen Nachbarn ist das Auto am Boden vereist. Mit den Füßen treten wir die Eiszapfen unter dem Auto weg, doch immernoch bewegt er sich nicht von der Stelle. Mittlerweile sind ein Holländer und ein Kanadier aus den nebenstehenden Autos zur Hilfe dazugekommen. Dem Kanadier fällt als erstem auf, dass unsere Bremsen als Folge der ungünstigen Parkposition völlig vereist sind. Mit dem Eiskratzer bearbeiten wir vorsichtig die Eiskruste auf den Felgen. Nach mehreren Anläufen macht das Auto schließlich einen Satz rückwärts. Erleichtert atmen wir auf.

Als nächstes zickt die Gangschaltung: der Vorwärtsgang lässt sich nicht einlegen. Durch abwechselndes Schieben und Rückwärtsfahren können wir das Auto immerhin umparken, sodass es in den Wind zeigt. Wir sind bereits in Kontakt mit der Notfullnummer von Europcar, als der Schalthebel unvermittelt wieder im D-Gang einrastet. Alle zwanzig Minuten rollen wir ein paar Meter vor und zurück, um nicht erneut festzufrieren.

Als gegen 20 Uhr immernoch keine Besserung in Sicht ist, lässt uns der Holländer wissen, dass der Besitzer eines Hotels in der Nähe auf dem Weg ist, um ihn zu eskortieren. Dankbar schließen wir uns an und sind endlos glücklich, nach mehr als acht Stunden auf diesem Parkplatz bald von solidem Mauerwerk umgeben zu sein. Dicht an dicht folgen wir den Rücklichtern des großen Geländewagens bis zu einem Hotel in Hvammstangi. Neben dem Holländer und dem Kanadier treffen wir auch einen Franzosen vom Parkplatz wieder. Die Hotelbesitzerin erzählt uns, dass sie dieses Jahr den schneereichsten Winter seit den 90er Jahren erleben und die Insel dieses Jahr besonders stark von Stürmen betroffen ist.

Bis zum nächsten Morgen hat sich der Sturm gelegt. Vom wolkenlosen Himmel scheint die wärmende Sonne auf die verschneite Landschaft und die Gräser auf den Feldern wiegen sich friedlich in der morgendlichen Briese, als wäre nichts gewesen. Lediglich die dicke Eiskruste auf der Fahrbahn zeugt vom Unwetter des Vortags. Neben den unvergleichlichen Anblicken gehören die Wetterphänomene eben auch zum Land der Extreme.

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Annette
04.06.2020
Brrrr, mir ist beim Lesen schon ganz kalt geworden und ich bin froh, dass ich weiß, dass ihr wieder sicher zu Hause angekommen seid!