Für die nächsten Tage haben wir uns die Halbinseln im Norden der Insel vorgenommen. Auf der Ringstraße aus dem Nordosten kommend würde man sinnvollerweise die Halbinseln in der Reihenfolge Trollaskagi, Skagi, Vatnsnes abfahren. Weil für die westlichste der drei Halbinseln die besten Wettervoraussichten für den Tag bestehen und die anderen beiden Halbinseln erst in den nächsten Tagen erstrahlt werden sollen, wollen wir nicht am Benzin sparen und machen uns zunächst auf die lange Fahrt von Mývatn in Richtung Vatnsnes. Auf halber Strecke zwischen Reykjahlíð und Akureyri kommen wir wieder am Góðafoss vorbei, der sich im Regen heute nicht ganz so toll wie vor wenigen Tagen beim Sonnenuntergang präsentiert.
[1162]Nach ungefähr eineinhalb Stunden erreichen wir Akureyri, die mit 18 000 Einwohnern zweitgrößte Metropolregion Islands. Wir kommen genau richtig zur Ladenöffnung beim Bonus Supermarkt, die ersten Besucher warten bereits vor den Glasschiebetüren. Warum viele isländische Supermärkte erst um 10 oder 11 Uhr ihre Pforten öffnen, ist und bleibt uns ein Rätsel.
Nachdem wir auch den Regen in Akureyri hinter uns gelassen haben, lichten sich langsam die Wolken. Immer wieder spannen sich beeindruckende Regenböden über Berge und Felder. Dann passiert es. Als wir auf einem geschotterten Platz neben der Straße kurz anhalten wollen, klingt uns das Knistern der kleinen Steinchen unter den Rädern bedrohlich in den Ohren. Carls Vorderräder sind im Kies vergraben und jegliche Anfahrversuche lassen ihn nur tiefer sinken. Normalerweise würde man etwas stabiles wie Holz unter die Räder legen, aber in dieser Region gibt es weder Bäume noch Holz. Verzweifelt klingeln wir bei der nächsten Farm, die zum Glück in Sichtweite liegt. Auf die Frage, ob sie uns helfen können, springt der pensionierte Gastwirt ins Auto, in dem schon mehrere Seile und eine Autobatterie bereit liegen. Anscheinend sind wir nicht die ersten, denen der hilfsbereite Isländer aus der Patsche hilft. Wenig später haben die Räder des Campervans dank der großzügigen Hilfe wieder asphaltierte Straße zu Füßen. Zum Dank wünscht sich unser Retter Deutschland von ihm zu grüßen, was wir hiermit gerne tun!
[1163]Nachdem die meisten Reiseberichte, die wir im Vorfeld gelesen haben, nicht bis in den Norden des Landes führen, stehen nur wenige Ziele auf unserem Zettel. Wie sich in den nächsten Tagen herausstellt, hat die Region knapp unterhalb des Polarkreises trotz des geringen Bekanntheitsgrads einiges zu bieten. Die offizielle Broschüre aus der Touristeninformation ergänzt unsere Liste an Wegzielen um Küstenabschnitte, von Bergen durchsetzte Halbinseln und natürliche Wasserfälle.
[1164]Viele Ziele liegen nur wenige Kilometer abseits der Ringstraße, sind aber ohne Wegbeschreibung leicht zu übersehen. An der Straße 717 thront die ehemalige Festung auf einem Hügel auf Basaltsteinen 177 Meter über dem Meeresspiegel. Laut einer Sage wurde die Anlage zur Verteidigung gegen die Macht aus Borgafjördur errichtet. Über spitze Steine kann man die breite Mauer erklimmen, von wo sich ein gigantischer Ausblick über die Lagune Hóp, den See Vesturhop und das Tal Vididalur bietet.
[1165] [1166]Folgt man auf der anderen Seite der Ringstraße dem Fluss Víðidalsá, lässt der nächste Wasserfall auch nicht lange auf sich warten. Erst beim Näherkommen ist der gewaltige Schlucht Kolugljúfur erkennbar, durch die sich der Fluss schlängelt. Über eine einspurige Brücke kann man die Schlucht überqueren. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten den Kolufossar, benannt nach der Riesin Kola, über die Schlucht hinweg zum beobachten. Den besten Blick machen wir auf dem Felsvorsprung unter der Brücke neben deren Stützpfeiler aus. Die tiefstehende Sonne taucht den obersten Meter unterhalb der Kante in rötlichem Ton. Um die harte Kante zwischen Licht und Schatten auf dem Wasserfall zu vermeiden, warten wir den Moment ab, als die Sonne tief genug steht, nur noch die im Hintergrund liegenden Berge und Wolken aufleuchten zu lassen. Ungewohnt aber angenehmt ist auch, dass wir in völliger Ruhe dem Rauschen des Wassers ungestört lauschen können.
[1167]Anschließend schlagen wir auf der Halbinsel Vatnsnes unser Nachtlager auf. Nachdem das letzte Handylicht gelöscht ist, werfen wir einen kurzen Kontrollblick aus dem Fenster, immerhin beginnt in dieser Nacht ja die offizielle Polarlichtsaison. Am Horizont ist das letzte Abendrot noch erkennbar und leichte Schleierwolken ziehen sich über dem Himmel. Der leichte Grünton lässt uns stutzen. Wenige Minuten später hat sich die seichte Grünfärbung in hellgrüne Strahlen verwandelt, die sich quer über den Horizont erstrecken. Mit dem Auge sind sie gut zu erkennen, aber die lange Belichtungszeit lässt sie auf den Fotos heller und kontrastreichen als in Wirklichkeit erscheinen. Sie bewegen sich langsam hin und her, werden langsam heller und wieder dunkler. Kaum ist das eine verschwunden, leuchtet das nächste in einer anderen Himmelsrichtung auf. Der Anblick ist so faszinierend, dass wir noch länger in der Kälte zugeschaut hätten, jedoch ebbt das Schauspiel nach einer knappen halben Stunde wieder ab. Überglücklich ziehen wir uns wieder in den beheizten Campervan zurück.
[1168]Der frühe Vogel räkelt sich noch in seinem Nest, als wir am Morgen anrücken um sein Tagesquartier zu inspizieren. Dass der Basaltfelsen Hvítserkur beliebt bei den Vögeln ist, lässt sich an den vielen weißen Überresten unschwer erkennen. Wie die Reynisdrangar bei Vík í Mýrdal soll es sich bei dem Felsen um einen durch die Sonnen versteinerten Troll handeln. Die regelmäßigen Furchen im Sand geben einen hübschen Vordergrund ab. Nach wenigen Minuten beansprucht die anschwimmende Flut die Muster für sich und drängt uns auf den schmalen Streifen Kieselstrand zurück.
[1169] [1170]Wir müssen nicht lange warten, bis sich die Sonne durch eines der beiden Löcher im Stein erblicken lässt. Die grelle Spiegelung erstreckt sich bis zum Ufer und lässt die Kieselsteine wie Goldnuggets erscheinen. Mit den wärmenden Sonnenstrahlen wagen sich auch die ersten Vögel aus dem Nest. Den wunderschönen Anblick der Küste im Morgenlicht sollte man sich nicht entgehen lassen.
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27.12.2016
29.12.2016
Habt ihr Bild 6 privat auch nochmal ohne Auto? Das Auto verändert etwas die Stimmung im Bild :D. (Aber passt hier natürlich gut zum Blogeintrag ;).)
01.01.2017
Super, dass ihr Polarlichter gesehen habt!
Akureyri ist die einzige Stadt, in der wir auch gerne mal an einer roten Ampel standen...
Ich wünsche euch alles Gute fürs neue Jahr und bin schon gespannt, wohin euch eure Reise in 2017 führt.