In Londonderry wird das sechseckige Symbol mit dem geschwungenen Weg der Coastal Causway Route abgelöst vom Zeichen einer sägezahnförmigen Welle. Mit dem neuen Symbol beginnt der Wild Atlantic Way, der bis Kinsale im Süden Irlands an der Küste entlangführt. In den nächsten Tagen wollen wir die zerklüfteten Klippen bei Slieve League besuchen, die weniger bekannt als die Cliffs of Moher aber nicht weniger spektakulär sind.
Auf der Durchreise stoppen wir zunächst im Glenveagh National Park. Bei der Einfahrt in den Nationalpark fallen die endlosen weiten Flächen ohne Bäume und Felsen auf. Das Herz des Parks bildet das im späten 19. Jahrhundert erbaute Glenveagh Castle am Rand des Lough Veagh. Wie im Bilderbuch sind Burg und See von Hügeln rundherum eingerahmt. Viele der Besucher legen den 4 km weiten Schotterweg zur Burg am See entlang mit dem Fahrrad zurück. Die Distanz erscheint uns großzügig geschätzt, denn wir erreichen die Burggärten nach 35 Minuten zu Fuß. Ein paar Treppenstufen am Ende der Burggärten führen hinauf auf einen Aussichtspunkt mit weitem Blick über das Anwesen, den Lough Veagh und die Berghänge zu allen Seiten.
[1415]Der Breeches Sea Arch vor den endlosen Weiten des Meeres im Westen hätte sich als perfektes Fotomotiv im Sonnenuntergang angeboten, der leider gestern Abend ins Wasser gefallen ist. An diesem Morgen beginnt es langsam aufzuklaren, als wir vorsichtig die Klippen zum steinigen Ufer am Crohy Head herunterklettern. An ihrem Höhepunkt hat die Flut nur ein ein paar wenige Quadratmeter voller Steine und Felsen unbeachtet gelassen. Es bleibt nur eine Perspektive, dicht an eine Felswand gedrängt und im Rand der spritzenden Gischt das Felsentor abzulichten. Trotzdem genießen wir das Spiel mit den Wellen, die in unregelmäßigen Abständen gegen die Felsbrocken im Wasser schwappen.
[1416] [1417]Gerade rechtzeitig zum Frühstück schaffen wir es zurück in das Bed & Breakfast, um ein authentisches irisches Frühstücken mit gebratenen Würsten, Schinken, Spiegelei, gebackene Bohnen und der obligatorischen Tomate entgegenzunehmen. Für Vegetarier gibt es pouchierte Eier auf Toast, gebackene Bohnen, Fruchtsalat und Müsli.
[1421]Nach einem kurzen Stopp beim Wasserfall Assaranca überqueren wir den kurvigen Glengash Pass zwischen Ardara und Glencolumbkille und finden uns am westlichen Ende der Halbinsel Banagh wieder. In dieser Region sind die Straßenschilder ausschließlich auf Irisch.
[1422]Die westliche Küste ist bekannt für ihre scharfkantigen Steilklippen, deren höchster Punkt 596 Meter über dem Meeresspiegel ragt. Diese Steilkllippen mit den Namen Sleave League sind damit beinahe dreimal so hoch wie die bekannten Cliffs of Moher und zählen auch zu den höchsten Klippen Europas.
[1423] [1424]Beim Bunglas Viewpoint bietet sich den zahlreichen Besuchern ein erster spektakulärer Ausblick auf das atemberaubende Felsmassiv. Genauso atemberaubend wie der Blick von oben dürfte die Ansicht vom Wasser aus sein, wo sich ein Speedboot mit in rote Schwimmwesten verpackte Touristen den Klippen nähert. Ein ausgetretener Pfad führt entlang der Klippen nach oben und lädt zu einer Erkundungstour ein. Nur wenige Meter trennt das blühende Heidekraut vom steilen Abfall.
Nach den abenteuerlichen Ausblicken auf die Slieve League Klippen laden einige beschauliche Sandstrände an der südlichen Küste der Halbinsel zum Verweilen ein. Durch ein zwei Jahre altes Foto in einer britischen Online-Zeitschrift sind wir auf eine abenteurliche Höhle mit einem Wasserfall gestoßen, die in der Nähe von Killybegs liegen soll. Alle Bemühungen, den genauen Standort vorab im Internet herauszufinden, verliefen erfolglos. Gebannt von der geheimnisvollen Höhle erkundigen wir uns bei den Einheimischen während einem Straßenfest. Diesen ist die Höhle nicht unbekannt, allerdings kann uns leider keiner den genauen Standort nennen. Nachdem die Touristeninformation am Sonntag geschlossen hat und die Flut bereits einsetzt, kehren wir am nächsten Tag zurück. Diesmal haben wir mehr Glück und die Dame an der Touristeninformation erzählt uns, dass sie seit dem Beitrag der britischen Zeitung immer öfter danach gefragt werde und stattet uns mit Informationen aus, wo wir suchen müssten.
[1419]Auch wenn es noch über zwei Stunden bis Ebbe sind, beginnen wir die Suche am Strand und werden schnell fündig. Hinter einer Ecke hört man bereits das Rauschen eines Wasserfalls und durch den Sand hat sich ein schmaler Ablauf einen Weg zum Meer gegraben. Dahinter offenbart sich die geheimnisvolle Höhle. Tageslicht dringt von einer großen Öffnung am Ende auf die Kieselsteine am Boden. Mit der Öffnung könnte man die Höhle auch als Tunnel bezeichnen. Von der Decke tropft es und an den rötlichen Felswändern schimmern gleichmäßig angeordnete grüne Zotten von Algen wie Lamellen einer Autowaschanlage. Durch die Öffnungen an beiden Enden zieht ein kühler Wind durch die Höhle.
Als wir einige Zeit später genug gesehen haben, hat das Meer seinen niedrigsten Stand erreicht. Noch während wir zusammenpacken, nähert sich eine Großfamilie und auf dem Rückweg begegnen uns zahlreiche weitere Personen. So geheim wie angenommen scheint die Höhle doch nicht zu sein, aber trotzdem sind wir noch wie verzaubert.
[1425] [1426] [1418]Unser nächster Stopp am Wild Atlantic Way ist der Mullaghmore Head. Auf der Suche nach einem Weg zum Classiebawn Castle sprechen wir eine Einheimische darauf an. Belustigt erzählt sie, dass sie seit über zehn Jahren hier lebe und noch nie einen Fuß auf das Gelände der Burg gesetzt habe, da sich diese im Privatbesitz befindet. Stattdessen streifen wir also an der Küste entlang. Die saftigen Weiden leuchten gelbgrün im Abendlicht. Vom Rand einer Schafweide bietet sich ein spektakulärer Blick über die Brandung zum Classiebawn Castle und das dahinterliegende Felsmassiv Ben Bulben.
[1427]Je weiter wir in den Westen kommen, umso einsamer und verlassener wirkt die Umgebung. Ab und zu säumen Farmen und B&B Schilder den Straßenrand.
[1420]Vor der Küste am Downpatrick Head abgespalten trotzt der Brandungspfeiler Dún Briste Wind und Wetter und das schon seit 1393. In diesem Jahr brach ein Teil der Landesspitze nach einem Sturm ab und die damaligen Einwohner konnten mit Seilen von See von der neu entstandenen "Insel" geborgen werden.
Gleich daneben findet sich mit Steinen in den Boden eingravierte riesige Buchstaben, die den Schriftzug "Eire 64" bilden. Während des zweiten Weltkriegs diente die Markierung den Piloten als Hinweis auf die neutrale Stellung Irlands.
[1428]Schließlich erreichen wir mit Erris Head den äußersten Punkt unserer Tour durch Irland. Der Erris Head liegt auf der Halbinsel Mullet und bietet beeindruckende Ausblicke über schroffe Klippen und das raue dahinter liegende Meer. An einem schönen Tag könnte die Szenerie aus einem Bilderbuch stammen. Unglückerlicherweise ist die Sichtweite heute durch den unnachlässigen Nieselregen stark eingeschränkt. Die von nur wenigen Schafen bevölkerten Wiesen wirken karg und ungeschützt, während das raue Meer schonungslos auf die Klippen und Felsen im Wasser eindrischt. In einer Bucht entdecken wir eine Gruppe Abenteuerlustiger mit Schwimmanzügen und Helmen im Meer treiben. Wie die Lemminge klettert einer nach dem anderen an einem Felsvorsprung aus dem Wasser, um sich zu einer Klippe knapp oberhalb der Wasseroberfläche vorzuwagen und von dieser wieder ins Meer zu springen. Zurück am Parkplatz sehen wir auch die Busse des Veranstalters, der mit Abenteuertouren wirbt.
[1429]Auch wenn wir erst einen Bruchteil des Wild Atlantic Way gesehen haben, ist es schon an der Zeit die lange Fahrt zurück nach Dublin anzutreten. Auf dem Rückweg bietet sich ein letzter Stopp bei den Klosterruinen Clonmacnoise an. Das Kloster wurde im sechsten Jahrhundert von St. Ciaran an der Kreuzung der Verbindungsstraße zwischen dem Westen und Osten Irlands mit dem von Norden nach Süden verlaufenden Fluss Shannon. Zu den spektakulärsten Relikten der damaligen Zeit zählen zwei hohe, reichhaltig verzierte Steinkreuze. Diese wurden als Schutzgegenstand gegen das Böse angesehen und bildeten außerdem eine Anlaufstelle zum Gebet und Treffen. Das Kloster wurde mehrmals geplündert, bevor es 1552 im Zuge der von Henry VIII angeordneten Auflösung der Klöster endgültig zerstört wurde.
[1430]Spät am Abend erreichen wir schließlich Dublin. Nach einer weiteren Nacht im gepflegten Studentenwohnheim ist es Zeit für den Rückflug. In den vergangenen vier Wochen durften wir viele schöne Gegenden von England, Wales, Schottland, Irland und Nordirland bestaunen und können kaum sagen, wo es uns am besten gefallen hat. Glücklicherweise liegt ist die Insel nicht weit von Deutschland entfernt und wir freuen uns schon darauf, irgendwann zu einem englischen, schottischen oder irischen Frühstück zurückzukehren.
11.08.2019