Reykjanes

08.09.2016

Nach einer Nacht am Stadtrand von Reykjavík genießt Carl am nächsten Morgen die Ankunft bei seinen Brüdern und Schwestern im Hof der Vermietung Campeasy. Der nächtliche Regen hat ihn sauber gewaschen. Auf dem Ablagebrett bei der Rezeption, wo wir uns vor drei Wochen über Goldfische und Zucker gefreut haben, hinterlassen wir unsere Reste an Mehl und Öl für die nächsten Besucher. Die freundlichen Angestellten der Autovermietung bieten uns eine Fahrt ins Stadtzentrum an. Auf der Fahrt erfahren wir, wie sehr das Geschäft mit den Campervans boomt, dass trotz der anstehenden Kälte noch alle Wagen bis Ende September ausgebucht sind dass auch die eisigen Temperaturen im Winter einige unerschrockene Touristen nicht vom Campen abhalten.

Nachdem unser Rückflug erst am späten Abend vom internationalen Flughafen Keflavík abhebt, lassen wir uns beim Inlandsflughafen in Reykjavík absetzen und besorgen uns einen fahrbaren Untersatz für den Tag. Islands Natur ist hat es uns angetan und wir wollen auch den letzten Tag noch in der Wildnis nutzen anstatt durch das bekannte Stadtzentrum von Reykjavík zu schlendern. Bis zum Abend wollen wir mit einem Kleinwagen die Halbinsel Reykjanes im Südwesten erkunden.
Die tiefe Wolkendecke und immer wieder anhaltende Regenschauer lassen die einsame Landschaft abenteuerlich wirken.

[1270] [1269]

Vor dem Regen geschützt sind wir im Raufarhólshellir, einem Lavatunnel, der sich vor ca. 5200 Jahren gebildet hat. Die Röhre ist so breit wie ein Autobahntunnel. Zwischen den großen Felsbrocken auf dem Boden klettert es sich nur langsam vorwärts. Der Eingangsbereich wird von zwei großen Löchern in der Decke mit Tageslicht beleuchtet, doch schon nach wenigen Metern im Tunnel ist es stockdunkel. Im Schein der Stirmlampe schillert das Lavagestein in beeindruckenden roten und blauen Farbtönen. Aus dem hinteren Teil des Tunnels kommen uns andere Besucher entgegen und schlagen ein Spiel vor. Man drehe sich auf der Stelle im Kreis und versuche zu erraten, auf welcher Seite der Ausgang liegt. Dankend lehnen wir ab und erkunden noch einen weiteren Abschnitt, bevor uns ein verlorenes Stativbein und eine schwächer werdende Stirnlampe zum Umdrehen zwingen.

[1265]

An der südlichen Küste kommen wir an der Strandarkirkja vorbei. Einer Geschichte nach wurde sie von Seefahrern in Not gebaut, die in einem Sturm um die heile Rückkehr nach Island gebeten hatten und zum Dank die hölzerne Strandarkirkja in der Bucht errichtet haben, in der sie mit dem Schiff landeten.

Die Halbinsel liegt genau auf der Grenze zwischen der eurasischen und der amerikanischen Kontinentalplatte, die kontinuierlich mit einer Geschwindigkeit von ca. 2 cm pro Jahr auseinander driften. An einer markanten Stelle deutet sich die Aktivität als Kluft zwischen zwei Felswänden an. Eine symbolische Brücke verbindet die eine mit der anderen Seite und, auch wenn die Brücke mehr dem anschaulichen Zweck dient, macht sich ein Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber den Kräften der Natur breit bei dem Gedanken, in der Mitte zwischen den beiden tektonischen Platten zu stehen.

Inmitten der kargen Felder erstarrter Lava fühlen wir uns abermals wie in einer Mondlandschaft.

[1266]

Die Plattenverschiebung äußert sich auch in vulkanischer Aktivität, die sich Geothermalkraftwerke zunutze machen. Aus den Türmen neben den silber glänzenden Hallen dampft es bedrohlich. An anderer Stelle streckt sich das Rohr eines Bohrers in die Höhe. Aus der Entfernung könnte man es für die Abschussrampe für eine Raumfähre halten.

[1267]

Die geothermale Aktivität wird nicht nur zur Gewinnung von Strom verwendet, auch mit den Touristen auf der Suche nach einem Wellness-Tag wird Profit gemacht. Die Blaue Lagune gilt als eine von Islands bekanntesten Attraktionen und verspricht ihren Besuchern ein erholsames Bad für schlappe ISK 6100. Im Preis inkludiert ist eine Schlammmaske und für einen Aufpreis gibt es eine weitere Maske aus Algen und die Benutzung eines Handtuchs dazu. Nachdem wir zufällig vorbeikommen, machen wir einen Abstecher in den frei zugänglichen Souvenirshop und werfen von dort einen Blick in das überteuerte Spa. Abgesehen von der Poolbar können wir keine großen Unterschiede im Vergleich zu den Mývatn Nature Baths erkennen.

[1268]

Nach Einbruch der Dunkelheit ist es schließlich Zeit der Mondlandschaft lebewohl zu sagen und zum Flughafen nach Keflavík zurückzukehren. Zunächst sind wir uns nicht sicher, ob der Zwischenstopp in Hamburg gegen eine andere deutsche Stadt getauscht wurde, denn zu ähnlichen Abflugzeiten stehen gleich fünf Flüge nach Deutschland auf der Anzeigetafel. Dann findet sich aber doch noch der Air Berlin Flieger nach Hamburg zwischen den Zeilen. Als wir um 1 Uhr isländischer Zeit schließlich abheben, sind wir uns sicher bestimmt nicht das letzte Mal die atemberaubenden Landschaften Islands besucht zu haben.

Kommentieren...

Bitte authentifiziere dich hier, um einen Kommentar schreiben zu können.

Leider haben wir in letzter Zeit mit vielen computergenerierten Spam-Kommentaren zu kämpfen. Daher können zur Zeit nur authentifizierte Benutzer einen Kommentar hinterlassen.